Wie Frankfurt nachhaltiger werden soll. Von Daniel Schleidt. Erschienen am 18. Januar in der F.A.Z.

Beim Weltwirtschaftsforum geht es auch darum, die Stadt Frankfurt weiterzuentwickeln, damit sie smarter wird und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erfüllt. Die Maleki-Stiftung hat Ideen dafür und sucht in Davos Mitstreiter.

Die Ansage des Polizisten kommt kurz, laut und in zwei Sprachen daher. „Räumen Sie diesen Platz. Jetzt!“, sagt der Mann mit der orangefarbenen Weste und treibt die Menschen auseinander, von denen viele die Handys hochhalten und auf das unscheinbare Haus richten. Auf der Fassade tickt eine Uhr, sie zeigt an, vor wie vielen Tagen, Stunden und Minuten der Krieg Russlands gegen die Ukraine begonnen hat: 691 Tage, 15 Stunden, 47 Minuten. Wolodymyr Selenskyj, das wissen alle hier an diesem Dienstag, ist in Davos beim Weltwirtschaftsforum, und am Abend wird er im Ukraine House erwartet. Gegenüber, auf dem Dach eines Hauses, steht ein Scharfschütze. Unten warten Dutzende schwer bewaffnete Polizisten.

Davos ist in diesen Tagen hoch gesichert. Die Straßen sind voll, die Themen auf der Agenda sind vielfältig und von großer Tragweite. Eines wird an diesem Abend diskutiert im über der Dorfpromenade gelegenen Luxushotel Steigenberger Belvedere, das während des Weltwirtschaftsgipfels ein Zentrum des Geschehens ist. Dort findet auch die SDG-Night Davos statt, die sich den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen widmet – und von einem Frankfurter Unternehmen veranstaltet wird. SDG steht für Sustainable Development Goals. Es geht auch darum, wie die Stadt am Main nachhaltiger werden kann.

Die Schlange vor dem Eingang zu dem Tophotel ist lang. Zum Abend hin reiht sich im Steigenberger ein Empfang an den anderen, wird das Foyer des Hotels zum Ort mit der vielleicht höchsten Promi-Dichte in Davos, womöglich sogar weltweit. Wer sich ein wenig Zeit nimmt, der begegnet hier Konzernchefs und Politikern auf dem Weg von einem Termin zum nächsten, aber auch andere wichtige Persönlichkeiten wie die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, die an der Schlange vorbeieilt.

Ein weiter Weg

Durch das Foyer, an der Bar vorbei, den Gang entlang, die Treppe runter, ist der Raum Scaletta in dem Hotel zwar abgelegen, aber am Dienstagabend gut gefüllt, als Darius Maleki bittet, doch durchzugehen, weil hinten im Raum noch Platz ist. Darius Maleki, sein Vater Nader und seine Schwester Samira haben 2021 in Frankfurt die Inglosus-Stiftung gegründet und wollen dabei helfen, das Thema Nachhaltigkeit in Frankfurt voranzubringen. Dazu haben sie im vergangenen Jahr mit der Digisustain eine zweitägige, von Sponsoren finanzierte Konferenz organisiert, bei der es um Themen wie Biodiversität, nachhaltige Finanzen und Künstliche Intelligenz ging – und nun zum zweiten Mal zum Nachhaltigkeits-Event nach Davos eingeladen. Mehr als 250 Gäste sind gekommen, darunter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, Metzler-Chef Gerhard Wiesheu, Wolfgang Fink, Deutschlandchef von Goldman Sachs. Nur die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die eigentlich als Hauptrednerin angekündigt ist, hat kurzfristig abgesagt. Sie treffe sich mit Selenskyj, heißt es.

Der Weg, Frankfurt zu einer nachhaltigen, smarten Stadt zu machen, ist weit. Zuletzt lag die Stadt beim Smart-City-Index des Beratungsunternehmens Haselhorst Associates Consulting auf dem 97. Platz. Gerade Städten komme beim Klimaschutz eine wichtige Bedeutung zu, sagt Shipra Narang Suri, die aus der kenianischen Hauptstadt Nairobi nach Davos gekommen ist. Narang Suri leitet das Programm UN Habitat, das die Vollversammlung der Vereinten Nationen beauftragt hat, sozial und ökologisch nachhaltige Städte und Gemeinden zu fördern mit dem Ziel, allen Menschen eine angemessene Unterkunft zu ermöglichen. Bei der SDG-Night von Inglosus wirbt sie auf der kleinen Bühne neben Darius und Samira Ma­leki dafür, sich auch in Frankfurt noch stärker für Nachhaltigkeit einzusetzen. Schon heute lebe mehr als die Hälfte der Menschen in Großstädten, bis zum Jahr 2050 werde dieser Anteil auf 70 Prozent steigen, sagt Narang Suri.

Viele Initiativen, wenig Sichtbarkeit

Doch wie soll Frankfurt nachhaltiger werden? Darius Maleki will zunächst die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN in der Stadt sichtbarer machen und begrüßt deshalb auf der SDG-Night unter anderen Stefan Weil von der Frankfurter Agentur Atelier Markgraph. Gemeinsam mit der Agentur will die Inglosus Stiftung in der Stadt begehbare Räume schaffen, die das Thema einer breiteren Öffentlichkeit näherbringen sollen. Weil könnte sich zum Beispiel einen Pavillon auf dem Roßmarkt vorstellen. Dort sollten Projekte präsentiert werden, die bereits heute in der Stadt auf Nachhaltigkeit einzahlen. Solche Initiativen gebe es viele, sagt Weil, nur seien sie nicht miteinander vernetzt und zu wenig sichtbar.

Das findet auch Darius Maleki. Frankfurt lebe seit jeher davon, dass die Bürger ihre Stadt aktiv mitgestalteten. Nun wolle die von seiner Familie gegründete Inglosus Stiftung dabei helfen, sich in Frankfurt neue Nachhaltigkeitsziele zu setzen und diese auch zu erreichen.

Davos sei daher der ideale Ort, um möglichst viele Menschen dafür zusammenzubringen. Der Raum, in dem die SDG-Night stattfindet, ist nicht zufällig gewählt, Nader Maleki kennt ihn sehr gut: Bereits 2009 initiierte er genau hier, im Raum Scaletta, das erste Meeting unter dem Titel „Frankfurt meets Davos“. Die Anziehungskraft des Weltwirtschaftsgipfels hat es ihm seitdem angetan. „Hier trifft man in kurzer Zeit unglaublich viele Menschen, die man zu etwas bewegen kann“, sagt Maleki. Zum Beispiel zum Kampf für die Erreichung nachhaltiger Ziele.