Ungewissheit prägte das damalige Bengal in den 1940er Jahren. Während des Zweiten Weltkriegs war die Region Teil des britischen Indiens. Der Krieg brachte Versorgungsengpässe und ökonomische Schwierigkeiten mit sich. Die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen waren hart, und die Menschen litten unter den Auswirkungen des Krieges. Bis in die entlegene Ortschaft Chittagong im Osten des Landes waren die Auswirkungen spürbar: Mangel an Nahrungsmitteln, Zerstörung durch Luftangriffe und die ständige Bedrohung durch Gewalt. Die Bevölkerung kämpfte ums Überleben, während die Strukturen des Landes bröckelten.
Inmitten dieser Herausforderungen wuchs Muhammad Yunus als drittes von neun Kindern in einer muslimischen Familie auf. Schon früh zeigte sich sein Talent. Als einer der besten von 39.000 Schülern bestand der junge Muhammad die Reifeprüfung an der Chittagong Collegiate School und erhielt ein Stipendium für die renommierte Vanderbilt University in den USA.
Seine Kindheit und Heimat vergaß er jedoch nie. 1972 kehrte Muhammad Yunus als Professor an die Chittagong University in seine Heimatstadt zurück. Vier Jahre später startete er ein Entwicklungsprojekt an der Universität, das darauf abzielte, den armen Bauern in der Region zu helfen. Er stellte schnell fest, dass traditionelle Banken für die Bedürftigsten unerreichbar waren. Dies führte zur Gründung der Grameen Bank, die Kleinkredite an Menschen in Armut vergab, um ihnen den Start kleiner Unternehmen zu ermöglichen. Mit dieser Idee leistete Yunus einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung des Lebens von Millionen Menschen in Bangladesch und etablierte Mikrofinanzen als ein globales Modell zur Bekämpfung von Armut. 2006 wurde Muhammad Yunus mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Im Westen angesehen, stoßen seine Theorien im eigenen Lande jedoch zunehmend auf Gegenspruch. Wohl aus politischen Gründen. Scheich Hasina Wajed bezeichnete Muhammad Yunus 2020 als „Blutsauger der Armen“ und beschuldigte die Grameen Bank des Zinswuchers bei der Kreditvergabe nachdem Yunus die Gründung einer Konkurrenzpartei in Erwägung zog. Am 1. Januar 2024 verurteilte ein Gericht Yunus zu einer sechsmonatigen Haftstrafe. Nach internationalem Druck blieb Yunus gegen Kaution auf freiem Fuß.
Nach den gewaltsamen Protesten und der Flucht der Regierungschefin Sheikh Hasina im August 2024 kündigte das Militär eine Übergangsregierung an. In der Nacht vom 6. auf den 7. August 2024 gab der Präsident von Bangladesch bekannt, dass er sich mit den Führern des Militärs und den Vertretern der Studentenbewegung auf Muhammad Yunus als vorläufigen Regierungschef geeinigt habe. Yunus wurde damit beauftragt, das Land bis zur Durchführung von Neuwahlen zu führen. Am 8. August 2024 wurde Muhammad Yunus offiziell in sein Amt vereidigt.
Die Wege von Dr. Muhammad Yunus und Dr. Nader Maleki, dem Vorsitzenden der INGLOSUS Stiftung, kreuzten sich schon früh. Am 25. Juni 1997 nahmen beide an der Podiumsdiskussion „Micro Credit – The New Way of Financing“ im Plenarsaal der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main teil. Diese erste Begegnung führte zu weiteren Treffen, darunter auch auf unseren Konferenzen in Davos. Die INGLOSUS Stiftung bedankt sich herzlich bei Professor Yunus für sein lebenslanges Engagement und wünscht der neuen Interimsregierung in Bangladesch viel Erfolg.